Freistaat entthront

„l’état c’est moi“ soll der absolutistische Sonnenkönig Ludwig XIV. von Frankreich (1638-1715) einst gerufen haben. Dieses „der Staat bin ich“ haben die freistaatlichen Bayernregenten als „Mir san mir“ in die Welt getragen. Traditionelle absolute Mehrheiten bei meist paralysierter Opposition lieferten den CSU-Regenten immer wieder Möglichkeiten, selbst die Bundespolitik in krachlederne Geiselhaft zu nehmen.

Interne Machtkämpfe wurden in bierzeltseligen Brünften ausgetragen, das Volk hielt seiner CSU die Treue. Als Markus Söder im Frühjahr 2018 den politisch senilen Horst Seehofer vom bayrischen Thron stieß und ins Berliner Exil schickte, übersah er Fatales: Nicht nur der Regent war überfällig, der Thron selber war morsch und brüchig.

Am 14.10.2018 haben die Wähler Bayerns ihm diesen Thron endgültig unterm Hintern weggezogen. Mit Laptop und Lederhose sitzen Söder und seine Partei nun auf dem Boden der Tatsachen.

Es sind bittere Tatsachen für die CSU, hoffnungsvolle Tatsachen für die Freunde moderner Demokratie. Das CSU-Sommertheater um Migrationsangst, populistischer Anbiederung und Recht(s)haberei haben auch im Freistaat die Wähler-Mehrheit zur Einsicht geführt, dass Republiken keine Throne vertragen.

Die neue Zusammensetzung im Münchner Landtag mit 6 unterschiedlich ausgerichteten Parteien zwingt nun zum Kurswechsel. Die überheblich-gnädige Auseinander-Setzung einer CSU-Regierung mit den Minderheiten im Parlament muss einer Zusammen-Setzung verschiedener Fraktionen weichen.

Wenn die CSU demnächst notgedrungen mit ihrem Zwilling FW (Freie Wähler) koaliert, wird die FW eine neue Söder-Regentschaft nicht akzeptieren. Auch die Oppositionsparteien sind nun gefordert. Konstruktive Opposition, die sich an Sachthemen orientiert, ist nach bisherigen Erfahrungen mit der AfD nicht zu machen – sie frönt der populistischen Dekonstruktion. Die erstarkten GRÜNEN, die wiederaufgetauchte FDP und sogar die gebeutelte SPD könnten bayrische und bundesweite Politik nachhaltig verändern – fänden sie sich bereit zur Kooperation im Dienst am Gemeinwesen. Ohne das jeweilige Eigenprofil zu leugnen, haben sie die Chance, dem bayrischen Parlament mit der konsensierten Entscheidungsempfehlung (KEE) einen neuen Arbeitsstil zu verpassen.

Politik ist der Prozess zur Vereinbarung und Umsetzung der für das Gemeinwesen verbindlichen Regelungen. Bislang reichte eine durch Wahlen legitimierte Entscheidungskompetenz, um die dazu notwendige Macht auszuüben. Immer mehr aufgeklärte und demokratisch geprägte Bürger sind jedoch nicht mehr damit zufrieden, in regelmäßigen Urnengängen Blankoschecks für Parteien auszustellen. „Nicht über unsere Köpfe“ erheben sie immer häufiger den Anspruch der Mitberatung und Mitentscheidung dort, wo sie von den politischen Entscheidungen betroffen sind. Die zeitliche Legitimation der Herrschenden per Wahlen reicht nicht mehr. Moderne Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die das Gemeinwesen bindenden Entscheidungen von der Mehrheit der Betroffenen beraten, legitimiert und akzeptiert werden.

Methodische Wege zu solcher modernen Demokratie haben sich im Diskurs der Bürgerbewegungen längst herausgeschält. Wichtige, von mir geschätzte Wege habe ich hier im Blog mehrfach beschrieben.

Ließen sich die grüne, gelbe und rote Oppositionelle miteinander auf den Kurs moderner, partizipativer  Demokratie ein, könnten sie mehrere Fliegen mit einer farbenfrohen Klappe schlagen. Der schwarz-schwarzen Koalition brächten sie Feuer unterm A…., die blaue Rechtsaussen-Opposition hätte an der eigenen Konzeptlosigkeit zu schlucken. Eine auf echte Partizipation der Bürger bauende parlamentarische Opposition hätte Strahlkraft auch in die anderen Parlamente im Bund und den Ländern hinein. Besonders dahin, wo auf Throne und Thronfolge geschielt wird.

 

 

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