Zukunftsstadt Bocholt – Partizipationsschwanger?

Als Besucher beim Festakt zur Übergabe des Bocholter Bürgergutachtens drängte sich mir das Bild vom „vorweihnachtlichen Wunschzettel“ auf.

Nörgens bäter as in Bokelt

Nörgens bäter as in Bokelt

Das nachfolgende nähere Studium dieses Gutachtens veränderte das Bild. Wohl handelt es sich weiterhin um eine Sammlung wohlfeiler Wünsche, doch deutlich schält sich der Anspruch auf Partizipation in den kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen heraus. Im „Weihnachtsbild“ bleibend: die Bürgergutachter erstellen nicht nur die Wunschliste, sie fordern Mitsprache und Mitgestaltung bei Auswahl und Wirkung des Baumes, Auswahl des Festmenüs oder bei Aufbau und Gestaltung der Krippe.

Nach dem gründlichen Lesen des Gutachtens wirkt es nun auf mich wie das Ultraschallbild einer partizipations-schwangeren Gesellschaft. Auch für die Demokratieentwicklung gilt die Einsicht: ein bisschen schwanger geht nicht. Noch mag mancher in staatstheoretischer Tradition verhafteter Mandatsträger die aufkeimenden Mitgestaltungsansprüche als ungewollte Schwangerschaft betrachten und auch gern abtreiben wollen. Doch der Reifungsprozess läuft und er hat durch das Bürgergutachten seine Bestätigung gefunden. Nun gilt es, diesen Prozess systemisch und systematisch zu fördern. Am Ende kann die Geburt einer neuen Demokratie-Qualität stehen.

Traditionell gilt als Demokratie, dass die für ein Gemeinwesen verbindlichen Regelungen von einer durch Wahlen zeitlich legitimierten Instanz entschieden werden. Zukünftige Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass in die thematischen Beratungsprozesse die vielschichtigen Kompetenzen der Bürger Eingang finden können und die zu treffenden Entscheidungen von der Mehrheit der durch die Entscheidung Betroffenen akzeptiert und legitimiert werden.

Verschiedene Verfahren solch zukünftiger Demokratie wurden in den letzten Jahren entwickelt und erprobt. Sie in die gesellschaftliche und politische Wirklichkeit zu übertragen und einzubinden ist ein langwieriger Lern- und Trainingsprozess. Wer interessiert ist, den fötalen Partizipationsanspruch zur zukunftsfähigen Demokratie reifen zu lassen, wird auch die anstrengenden Geburtsvorbereitungen auf sich nehmen.

Nur mal angenommen, die Zukunftsstadt Bocholt mit ihren vielgestaltigen Akteuren nähme sich solcher Geburtsvorbereitung an – welche lohnbenswerte Perspektive.

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