Josef Anton Stüttler (1931-2009)
Von Vertretern christlicher Gesellschaftslehre wird gern gesagt, die UN-Charta der Menschenrechte von 1948 sei vom christlich-abendländischen Denken geprägt. Was aber, wenn von asiatischen oder islamischen Kulturen geprägte Staaten gerade deshalb diesen Menschenrechten ihre Akzeptanz verweigern?
Wird es dann nicht Zeit für eine kulturübergreifende, anthropologische Begründung von Menschenrechten? Den Entwurf solcher wissenschaftlich-anthropologischen Begründung von Grundwerten legte der am 14.3.1931 in Tschagguns/ Vorarlberg geborene Philosoph Josef Anton Stüttler in den 1970er Jahren vor.
Stüttler hat seinen Studenten und Lesern viel zugemutet: „Das Umdenken vieler Andenken zur Erinnerung, das Eindenken der Zukunft in die Gegenwart, das Ausdenken neuer Deutungen und Wertungen fordern Vollzüge, die den modernen Menschen erst für die Zukunft zeitigen. Und wer von uns will in die Zukunft zurückfallen? Der Christ kann es nicht!“ So schrieb er 1970 im Vorwort seines Beitrags „Christentum und Kultur“ in der Pattloch-Enzyklopädie „Der Christ in der Welt“.
In mehreren Beiträgen dieser 164 Taschenbücher umfassenden enzyklopädischen Reihe analysierte Stüttler die Erklärungen des II. Vatikanischen Konzils auf ihre Konsequenzen für die Lebenswirklichkeit der Christen und die geforderten Entwicklungen für die institutionelle Kirche.
Heute wäre Josef Anton Stüttler 90 Jahre alt geworden. Wie hätte er es verwunden, dass weder Christenvolk noch Kirchenführung das Gedankengut des II. Vatikanums in seiner Fülle eingeholt, geschweige denn verwirklicht haben?
Wir lernten uns 1970 kennen, seine Antrittsvorlesung an der Katholischen Fachhochschule Köln hatte mich derart fasziniert, dass ich mich sofort für seine Seminare einschrieb. Er machte es uns nicht leicht, forderte uns zu eigenen, begründeten Argumentationen heraus. Wer ihm nach dem Mund redete, verlor.
Philosophie, Psychologie, Soziologie und Geschichte hatte er in München, Tullabeg (Irland) und Innsbruck studiert. An der Theologischen Fakultät Innsbruck erwarb er das Lizentiat in scholastischer Philosophie, promovierte über die Spätphilosophie Schellings und wurde Assistent am Institut für christliche Philosophie dieser Fakultät. Zeitgleich betrieb er das Studium der Rechts-, Staats- und Volkswirtschaftslehre und beendete dieses Studium mit allen drei Staatsprüfungen; anschließend Gerichtspraktikum.
Es war diese fundierte Polylogie, gekoppelt mit gesellschaftlichem Engagement, die Dr. Stüttler von den anderen Dozenten der Katholischen Hochschule unterschied. Parallel zu seiner Hochschultätigkeit war Dr. Stüttler als gesellschaftspolitischer Referent des deutschen Kolpingwerkes tätig.
Mir wurde er zum Mentor meiner Examensarbeit und über die Studienzeit hinaus zum kollegial-freundschaftlichen Berater in meinen sozialpädagogischen Projekten.
Nach seiner Emeritierung zog es ihn umgehend zu seiner Familie nach Österreich zurück. Pläne für weitere gemeinsame Projekte fielen seiner Gesundheit zum Opfer. Als ich ihn 2004 in Tschagguns besuchte, war er bereits schwer gezeichnet von inzwischen drei schweren Schlaganfällen. Es wurde unser letztes Gespräch. Am 25. Februar 2009 starb J.A. Stüttler.
Seine Schriften erfahre ich noch heute als wegweisend. Fänden sie auf Synodalen Wegen Beachtung, ließen sich manche traditionelle, hierarchisch-traditionelle Stolperfallen umgehen. Doch wahrscheinlich gehört Josef Anton Stüttler längst in die Riege der vergessenen und unterschlagenen Propheten christlicher Gesellschaftslehre.
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