„Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet!“ oder „Der Berg kreißte und gebar eine Maus!“ Unsere Sprache bietet deutliche Redewendungen, um Projekte und Aktionen zu charakterisieren, die aufwändig starten, doch den gepushten Erwartungen nicht gerecht werden. Da steht dann so mancher Politiker als „Ankündigungsminister“ in den Medien, Reformkonzepte verstauben in nichtfinanzierten Vorhabenlisten und das Engagement mancher Prozessbeteiligten schlägt um in Frustration und Resignation.
„Verabschiedete Papiere werden abgeheftet“, erklärte mir vor Jahrzehnten ein befreundeter Bundes-Verbandssekretär. Es dauerte Jahre, dass mir der tiefere, positive Sinn dieser Bemerkung aufging. Die Konzentration auf Arbeitsergebnis und dessen Umsetzung befördert die Frustration, lenkt zugleich aber von der weit wichtigeren Wirkung des Prozessgeschehens ab.
Die Beratungen selbst und weniger deren Abschlusserklärungen sind die wirksame Seite des Prozesses. Im Austarieren unterschiedlicher, teils gegensätzlicher Interessen hin auf das gemeinsame Anliegen überprüfen die beteiligten Personen ihre Einstellungen und Positionen. In Rede und Gegenrede geschieht Entwicklung, Beziehungen entstehen und so nebenher entsteht ungeplant Neues.
„Das Beste sind die Kaffee-Pausen“ – diese Einsicht des Organisationsentwicklers Harrison Owen gehört zu den Gründungsmythen der Open-Space-Methodik. Nicht die Top-Referenten, nicht die tollen Präsentationen, sondern die vielfältigen Kompetenzen der Teilnehmer und deren Kommunikation machen den entscheidenden Wert von Konferenzen, Tagungen und Arbeitsgruppen aus. Protokolle und Beschlüsse haben Erinnerungswert, wirklich wirksam aber sind die veränderten Orientierungen und Handlungen der Teilnehmer in ihren jeweiligen Handlungsbezügen.
Nach einem Jahr enden nun die Trendshops zur trendwerkstadt-bocholt. Ein konzentrierter Blick auf Beratungsergebnisse und Empfehlungen verlockt zur Sicht „Als Tiger gesprungen…“. In den Beratungen spielten die während der Auftaktveranstaltung präsentierten Zukunftstrends nur eine geringe Rolle. Eher orientierten sich die Gespräche an den aktuellen kommunalpolitischen Vorhaben zum jeweiligen Trendshop. Dementsprechend sind die Ergebnisse auch im Wesentlichen Nuancierungen zu bereits vorgelegten Konzepten der Verwaltung. Von tiefgreifenden Reformansätzen ist nichts zu lesen.
Erst wenn sich die Fixierung auf Ergebnisse löst, gerät die umfassende Wirkung dieser fast einjährigen Beratungen in den Blick. „So nebenher“ vertieften sich Bekanntschaften und formten neue Kooperationen. Gemeinsame Einsichten in Notwendigkeiten und kreative Ideen finden ihre Resonanz im Engagement der Teilnehmer. Denn deren „Sicht auf die Dinge“ hat sich neu geformt. Die Nebenwirkungen der Trendwerkstadt zeigen sich so wirksamer als das angestrebte Ergebnis.
Nur mal angenommen, wir würden uns zukünftig auf die Nebenwirkungen konzentrieren und Arbeitsformate anbieten, die immer wieder auf die interessierte Beteiligung von Bürgern und deren Kompetenzvielfalt ausgerichtet sind. Querdenker und Quertuer lernten sich kennen und schätzen, fänden Wege zum Austausch und gemeinsamen Agieren. Welch ein Schub in Richtung Bürgerkommune!
Ein weiterer Schritt hin zu einer Demokratie, in der politische Entscheidungen – also Entscheidungen, die das Gemeinwesen und all seine Mitglieder rechtlich binden – mit den Betroffenen beraten und von ihnen legitimiert werden.
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