Nicht perfekt – doch gut genug

Das Leben ist nicht relativ. Leben geschieht voll und ganz. Und es geschieht voll und ganz in Beziehungen. Ohne Beziehungen, ohne soziale Kontakte – also ohne Relationen – sind wir Menschen nicht lebensfähig. Die Qualität dieser Relationen prägt die Qualität unseres Lebens.

Pädagogisches Wirken ist ein Wirken in Beziehungen von Lehrern/Lehrerinnen, Erzieherinnen und Erziehern zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen.

Prof. Dr. Annedore Prengel, Potsdam, verwies in ihrem Vortrag darauf, dass alltäglich sowohl anerkennendes als auch verletzendes pädagogisches Handeln praktiziert wird. Wissenschaftliche Beobachtungen liessen allerdings den Schluss zu, dass dreiviertel dieser Handlungen als positiv anerkennend oder neutral, ein Viertel leider als die Rechte und Seelen der Kinder verletzend geschehen. Knapp 6 % sogar schwerwiegend traumatisierend.

Anerkennende, die Kinderrechte fördernde PädagogInnen arbeiteten mit den verletzenden Kollegen häufig Tür an Tür. Oft fühlten sie sich überfordert, die Fehlleistungen dieser Kollegen offen anzusprechen und auf nötige Verhaltensänderung hinzuwirken.

In solcher Situation ist Hilfe zur fachlichen Reflexion und kollegialer Beratung angebracht. Der Arbeitskreis Menschenrechtsbildung in der Rochow-Akademie an der Uni Potsdam bietet mit den “Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen” solche Hilfe an.

In Flyern und Postern werden diese Reflexionen derzeit gedruckt und stehen ab August 2017 zur Verfügung, um in Lehrerzimmern und Büros der Erziehungseinrichtungen für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Gesponsert und großzügig finanziert wird diese Aktion durch die Robert-Bosch-Stiftung und die Helga-Breuninger-Stiftung.

Leben vollzieht sich in Relationen, in zwischenmenschlichen Beziehungen. In reflektierten zwischenmenschlichen Beziehungen entwickeln sich gesellschaftliche Strukturen, lehrt der Sozialphilosoph Johannes Heinrichs.

Nicht nur die Strukturen der Gesellschaft, sondern auch die Qualität der Beziehungen und des Miteinander-Lebens hängen von gelungener, expliziter Reflexion ab. Das geht weit über die pädagogischen Relationen hinaus. Die tatsächlichen zwischenmenschlichen Beziehungen in den sehr unterschiedlichen Substrukturen gesellschaftlichen Lebens erfüllen allzu oft nicht die Anforderungen einer an der Menschenwürde ausgerichteten Ethik.

Die Beziehungen zwischen Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen in Wirtschaft und Verwaltung werden selten ethisch so reflektiert, wie die Reckahner Erklärung es für in die Einrichtungen der pädagogischen Substruktur empfiehlt.

Nur mal angenommen – Poster und Flyer analog der Reckahner Reflexionen hingen auch in den Büros und Kantinen der Unternehmensgruppen Bosch und Breuniger. Vielleicht bald auch bei VW, Daimler, der Deutschen Bank, den Kommunalverwaltungen, den Ministerien, den Parteizentralen  … und … und … und.

Nur mal angenommen – ob sich auch dort die Relationen der Menschen, also ihre sozialen Beziehungen, verbessern? Ob nicht die Qualität unseres demokratischen Lebens steigen würde? Nicht perfekt – doch gut genug.

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