US-Amerika hat gewählt. Seit die jeweiligen Parteikonvente ihre Spitzenkandidaten nominierten, wurde es deutlich: die Amerikaner hatten die Wahl zwischen zwei Übeln. Für die Republikaner stand als Kandidat ein politikunerfahrener, beratungsresistenter und selbstverliebter Poltergeist, der log und beleidigte, dabei furios und populistisch die Wut der gesellschaftlich Enttäuschten als Energie seines Wahlkampfes ausspielte.
Die Demokraten hoben mit Hillary Clinton eine in sämtlichen Machtgewässern gewaschene, kühl agierende Wall-Street- Agentin auf ihren Schild. Sie stand für jene etablierte Politik, welche die Spaltung der US-Gesellschaft, die Militärpolitik und die sich weiter öffnende Arm-Reich-Schere zu verantworten hat.
Als Wahl “zwischen Pest und Cholera“ wurde sie in den Medien weltweit kolportiert. Nun haben die Amerikaner der „Pest“ den Vorrang gegeben und allerorten Katerstimmung bei den „Etablierten“, Jubellaune bei den Populisten ausgelöst. „Schockstarre“ könnte inzwischen zum Wort des Jahres bei Polit-Journalisten und der Demoskopen-Gilde werden, als sei ein Wahlsieg Trumps außerhalb des Denkbaren gewesen. Dabei dürften die über Mandatszeiten hinausdenkenden Machtstrategen längst ihre Schockstrategie ausgearbeitet in der Schublade gehabt haben. Während in den USA und mit ihnen kooperierende Staaten die Bürger mediengestützt in Schockstarre versetzt und gehalten werden, melden sich europäische Politiker mit Reaktionsempfehlungen zur Absicherung eigener Macht. “Europa muss nun enger zusammenrücken!”, tönt es in unterschiedlichen Sprachen und Variationen. Warnungen vor einer weltweiten Kooperative der Populisten und Antidemokraten werden ausgerufen, doch echter Demokratieentwicklung wird kein Raum gegeben.
Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion, umbenannt und umdekoriert als Europäische Gemeinschaft (EU), greift nach weiteren Machtkompetenzen. Ausgerechnet jene EU, der das deutsche Bundesverfassungsgericht nichtbehebbare Demokratiedefizite bescheinigt.
Weil die Amerikaner “falsch” gewählt haben, weil auch europäische Wähler desillusioniert von der “etablierten” Politik mit den Populisten liebäugeln, soll also der Demokratieabbau in Europa weitergetrieben werden.
Selbst wenn der nun gewählte US-Präsident Donald Trump sich als Teufel der Demokratie erweisen sollte, muss ihm dann mit einem europäischen Beelzebub begegnet werden?
Wo richten Journalisten und Politikberater ihr Interesse auf die tieferliegenden, wahrhaft grundlegenden Fragen?
Welche Mängel im demokratischen Repräsentanz-System ermöglichen es Typen wie Trump, Clinton, aber auch Erdogan, Le Pen, Orban, Berlusconi u.a die Schaltstellen der Macht zu besetzen? Wie lassen sich diese Systemmängel demokratisch beheben?
Wie wird vermeidbar, dass sich eine Politikerkaste als Nachfolger früheren Erbadels etabliert und sich über Parteikader selbst rekrutiert?
Wie lässt sich die politische Resilienz eines Volkes stärken, dass es ausgerichtet an ethisch vertretbaren Normen immer wieder zu Gemeinwohl, Solidarität und würdeorientierter Politik zurückfindet?
Wie lässt sich Demokratie entwickeln, dass sie – verankert in den Entwicklungswünschen der Bürger – bei Entfaltung der personalen Qualitäten und Kompetenzen der Bürger die dem Gemeinwohl förderlichen Rahmenbedingungen schafft? So könnte Demokratie zur systemisch stabilen Selbstregulation einer Gesellschaft freier Menschen werden.
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