Gäbe es einen Eulenspiegel-Ehrenpreis, Jan Böhmermann wäre der aktuelle Favorit darauf. Mit einem Geniestreich gelang es ihm, die politische Verwahrlosung unserer Tage zu demaskieren. Was war geschehen? Das Satiremagazin extra-3 hatte einen Song produziert und ausgestrahlt, der den ohnehin bekannten Politikstil des türkischen Präsidenten Erdogan persiflierte.
Der humorbefreite neo-osmanische Kritikallergiker entblödete sich daraufhin nicht, den deutschen Botschafter einzubestellen. Damit stellte er die sprichwörtliche Sau auf die Straße und die Hatz durch die Medien konnte beginnen. Politik-Promis der VIP-Kategorien A bis F meldeten sich für und wider der Satire zu Wort, um auch etwas von der medialen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wieder einmal wurde die alte Frage hochgekocht, was Satire dürfe. Im Tohuwabohu der medialen Sauhatz wurde die Grenze zwischen Satire und Schmähung fröhlich verwischt. Klare und scharfe Begrifflichkeit ist in den heute üblichen politischen Befindlichkeitsdebatten ohnehin nicht gefragt.
Hier griff Jan Böhmermann klärend und belehrend ein. Er kennt die Grenze, sie ist sein künstlerisches Zuhause. Seinen Ruf als Satiriker erwarb er sich als Tänzer auf dieser Grenze. In seiner Sendung ZDF-„Neo Magazin Royale” demonstrierte er Ende März, was nach deutschem Recht und dem Kunstverständnis des Grundgesetzes nicht erlaubt sei. Als Lehrbeispiel des Nichtzulässigen konstruierte er ein Schmähgedicht, welches bewusst jenseits der Grenzen von Satire und gutem Geschmack angesiedelt ist. Dieses Reimwerk wurde von Böhmermann klar angesagt als ein Muster für etwas, was man nicht tun darf.
Damit verhielt sich der Satiriker wie ein Lehrer, der seiner Klasse nahebringt, dass man die Mitschüler und Lehrer nicht ehrverletzend bezeichnen darf als „schwule Schwanzlutscher, notgeile Fotzen oder Kinderficker“. Die aufgeregten Schwätzer allerdings regten sich auf über das, was Böhmermann vortrug, ohne wahrzunehmen, dass er es als „Modell des Unzulässigen“ vorgestellt hatte.
Die Führung des ZDF, prominente Journalisten, Politiker der verschiedenen VIP-Klassen, die Bundeskanzlerin, ihr türkischer Amtskollege und dessen sich omnipotent glaubender Präsident missachteten den Unterschied zwischen dem „Modell einer ehrverletzenden Schmähung“ und einer realen Schmähung. Schleunigst gingen sie auf Distanz oder forderten gar eine strafrechtliche Verfolgung des Belehrers.
Das dürfe Böhmermann nicht sagen, läuteten sie die nächste Runde der Sauhatz ein. Nach ihrer Auffassung darf er also nicht sagen, dass er nach deutschem Recht das nicht sagen darf, was er beispielhaft gesagt hat. Und so trampelten sie erdowie, erdowo, erdowann in die Denkfalle der „doppelten Negation“, die nach den Regeln formaler Logik eine ausdrückliche Bestätigung bedeutet.
Jan Böhmermann ist ein Schelm. Er hätte den Eulenspiegel-Ehrenpreis verdient, so, wie er auch den Grimme-Preis zugesprochen bekam.
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