Wegwerf-Freunde?

„Warum bist du noch mit Georg befreundet?“ Der mich so via Facebook anfragende KAB-ler liefert zugleich die technische Lösung mit: Freunde, scroll down, entfernen!

Eine gute Anfrage, denn sie zwingt mich zur Reflexion: wie hältst du es mit Gescheiterten? Wie hälst Du es mit Menschen, die schuldig wurden – die sich vergangen haben?

Georg Hupfauer hat sich vergangen. Wie er selbst zugab, hat er auf Kinderporno-Seiten im Internet gesurft. Seit einem Jahr musste er von den Ermittlungen der Staatsanwälte gegen ihn. Er schwieg, bis eine bevorstehende Pressemeldung ihn zum Eingeständnis vor dem Bundesvorstand der KAB und zum Rücktritt von allen Mandaten zwang.

Georg Hupfauer ist an sich selbst gescheitert. Er hat seinen Ruf ruiniert und der Sache der KAB Schaden zugefügt. Die Würde der Person ist antastbar! Leider hat auch Georg Hupfauer diesem Satz durch sein Tun recht gegeben.

Darf ich freundschaftlichen Kontakt zu einem solchen Menschen unterhalten? Würde ich dadurch sein Handeln billigen? Ginge ich gar eine ideelle Komplizenschaft ein? Was vermutet der anfragende KAB-Kollege, wenn ich die Facebook-Befreundung nicht entferne?

Georg Hupfauer ist mir nur wenige Male persönlich begegnet. 2003 gehörten wir beide zu den Bewerbern um den KAB-Bundesvorsitz, er machte das Rennen. 2009 begegneten wir uns erstmals, ich erinnere mich an zwei weitere Begegnungen und kurze Wortwechsel. Die Vokabel „Freund“ trifft auf uns wohl nur in der homöopathischen Verdünnung von gleicher Verbandsmitgliedschaft und Facebook zu. Ein Leichtes also, diesen Freund per Doppelklick zu entfernen.  Und genau hier dreht sich mir der Magen um, mit solchem Doppelklick sage ich „ja“ zur Wegwerfgesellschaft, zur Schönwetter-Verfreundung!

Im Haifischbecken der Finanzindustrie habe ich zu genüge die Kontaktangst zu Umsatzschwächeren oder gar Gescheiterten erlebt, bis hin zur Perversion der Kondolenzverweigerung beim Tod meiner Frau – denn das löse negative Energien aus!

Schaue ich mich in meinem Freundeskreis um, würde Georg Hupfauer ganz gut hineinpassen. Da finden sich nicht nur die Erfolgreichen und Gescheiten, sondern auch die Erfolglosen und Gescheiterten. Über die Jahre entstand die reinste Tragödiensammlung: tragische Ehen mit und ohne häuslicher Gewalt; Arbeitslosigkeit und betriebliche Insolvenzen, von Abtreibungen über Drogenkonsum bis hin zum Mord, breit ist das ruhmlose Aktionsfeld meiner Freunde. Mein eigenes Leben hätte wohl auch nicht immer die Zustimmung und Segnung des Kölner Kardinals erhalten.

Warum also Georg „Entfernen“? Wäre nicht eher das Gegenteil notwendig? Braucht Georg Hupfauer nicht gerade jetzt Freunde? Menschen, die ohne Beschönigung seines Tuns ihn doch als Menschen annehmen und auffangen? Menschen, die ihn nicht „entfernen“, sondern ihm helfen, seine Würde wieder zu entdecken. Eine Würde, die ihm auch im Scheitern nicht abgeht.

Jene Würde, für die auch die KAB eintritt.

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