Und wer, bitte schön, ist “DIE STADT”?

DIE STADT bestehe auf Räumung, DIE STADT sei nicht an einem sozialen oder kulturellen Projekt interessiert. Der Kölner Baudezernent lehnte als DIE STADT die befristete Zwischennutzung einer Industriebrache ab. Die politischen Beratungen im Rat der Stadt um das fragliche Gelände drehen sich noch um die Aufstellung eines Bebauungsplanes. Die GRÜNEN brachten in die Beratungen den Antrag ein „preisgünstigen Raum für bildende Künstler in der Planung vorzusehen“. Denn, so ihre Begründung, „es sind momentan Künstler auf dem Gelände, die eine Zwischennutzung wahrnehmen“. Diese Zwischennutzung unter Führung des Landschaftskünstlers Rolf KeTaN Tepel führte in den vergangenen Jahren zur Rekultivierung verwahrloster Freifläche, der zur Begegnungsstätte kulturell kreativer Bürger wurde. Das von der Stadtverwaltung vorgelegte Nutzungskonzept integriert dieses Teilstück in die ausgewiesene öffentliche Grünfläche. Eine die Interessen aller Beteiligten zuträgliche Lösung ist in der noch offenen Beratung der kommunalen Gremien ohne großen Aufwand möglich.

Kennt der Kölner Baudezernent den Beratungsstand innerhalb der Stadt nicht oder schert er sich nicht darum?

Gründe für seine strikte Abfuhr führte er nicht an, er berief sich auf DIE STADT .
Wer aber ist DIE STADT?
Welche Rolle spielen Bürger, Verwaltung oder Rat in der Stadt? Ist DIE STADT ein Gegenüber zum Bürger, eine herrschende Obrigkeit?Vorbei die Zeit von Gilden, Zünften und Patriziern. Bürger haben sich die Rechte genommen und erkämpft, die Geschichte ihrer Stadt selbst zu gestalten. Der Vorherrschaft der Landesherren entzogen sie sich in der Stadt. Nicht allein die Siedlungformen begründete die „Stadt“, Stadtluft machte frei. Freie Reichsstädte gewannen politischen Einfluss. Arbeitskraft, kulturelle und wirtschaftliche Leistungen der Bürger formten das Sozialwesen „Stadt“.

Wehrhafte Bürger und schützende Mauern sicherten dieses Sozialwesen. Schützende Mauern aber sind auch beengende Mauern. Als diese ihre Verteidigungsfunktion unter neuen Militärtechniken und -strategien verloren sich, barst so manche große bevölkerungsreiche Stadt und ergoss sich in das angrenzende Umland. Starke Städte verleibten sich ihre Nachbarn ein. Sie erklärten sie zu Stadt-Teilen, ohne dass die Mehrheit der eingemeinten Bürger teilen wollten.

Solche Machtpolitik aus der Fantasie “Volk ohne Raum” zeigt selbst noch 2010 seine Arabesken, wenn etwa Konrad Adenauer (Enkel des gleichnamigen Kanzlers) Kölns benachbarte Städte Hürth, Frechen oder Bergisch-Gladbach “seiner Stadt” einverleiben will.
Es wird höchste Zeit, neu über DIE STADT nachzudenken.

Soziale Strukturen entstehen im reflektierten zwischenmenschlichen Handeln. Folgen wir dieser Einsicht des Sozialphilosophen Professor Johannes Heinrichs, so sind es die unmittelbar miteinander handelnden Personen, die den Wurzelgrund jedes Sozialwesens bilden. Sozial förderliches, aber auch unwissentlich oder willentlich sozial schädigendes Agieren der Menschen prägen das Verhalten zueinander, dieses wird kultiviert und formt Regeln des Miteinander.

Wie wir aus der Geschichte erschließen können, wurden die Regeln vergleichsweise selten im reflektierenden Miteinander der Beteiligten entwickelt und beschlossen. Weit häufiger setzten Mächtige ihre Ansprüche zur Sicherung ihrer Herrschaft durch, unterwarfen ihre Mitmenschen und das Sozialwesen ihrem Diktat.

In ihren Bürgern begründet sich jede Stadt. Bürger einer Stadt ist jeder dort gemeldete und registrierte Einwohner. Bewohner einer Stadt, die nicht zugleich Bürger sind, sind aktiv und passiv einem an den Menschenwürde orientierten Gastrecht unterworfen.
Jede, zumal größere menschliche Gemeinschaft bedarf und entwickelt Ordnungsstrukturen. So werden Personen ausgewählt und mit treuhänderischer Leitungsfunktion betraut. Ob öffentliches parlieren unter der Stammeslinde oder moderne parlamentarische Wahlverfahren, im Kern bleibt die treuhänderisch vergebene Ordnungsmacht.

Treugeber sind die Bürger, Treuhänder das Repräsentanzorgan und die von ihm geführte Verwaltung. Die in gemeinschaftlicher Leistung entwickelte Infrastruktur als öffentliches Vermögen bleibt Treuhandvermögen der Bürger.
Soweit Idee und Anspruch, doch wer hält sich schon daran?

Immer wieder fordert menschliche Schwäche ihren Tribut, übertragene Leitungsfunktion wird missbraucht zur Herrschaft, zur ausbeuterischen Verzweckung von Mitmenschen zu eigenem Profit. Vasallen, auf eigene Vorteile im Schutz unzulässiger Herrschaft bedacht, stützen die ausbeuterischen Ambitionen und beteiligen sich an ihnen. Sie prägen die veröffentlichte Meinung, täuschen den Massen der Menschen die Berechtigung der Herrschaftsansprüche vor und “kultivieren” die Erosion grundlegender Werte.

Über die Jahrtausende unserer Menschheitsgeschichte wurde die Vision treuhänderischer Leitung von der Perversion unterwerfender Herrschaft dermaßen überlagert, dass die Herrschaftsperversion als Normalität angesehen und angenommen wird.

Selbst demokratisch engagierte Mitmenschen fordern “Bürgerpartizipation”, statt sich ihrer Treugeberrechte und -pflichten zu erinnern und die zu oft untreuen Treuhänder an die demokratische Kandare zu nehmen.

Mitglieder des Rates und der Verwaltung sind zu erinnern, wer DIE STADT* ist: die Bürger! Wer sich ihnen gegenüber obrigkeitlich vergreift, ist ernstlich auf seine treuhänderische Verpflichtung zurückzuwerfen und – falls uneinsichtig – aus dem Amt zu jagen.

Ein Dezernent, der die noch offenen offiziellen Beratungen in der verfassten Bürgerschaft missachtet, schädigt seine eigene Reputation als Treuhänder.

Bürger andererseits haben zuerst die Pflicht der Partizipation, ist es denn ihre Stadt. Dann erst stellt sich die Frage, in welchen Formen diese Partizipation rechtsgültig wird. Bürger, die sich der Partizipation entziehen, mißbrauchen ihre Treugeberpflichten und schaffen neuen Nährboden für Herrschaftsallüren und Obrigkeitsgehabe.

Gute Treuhänder fördern die Fähigkeiten ihrer Bürger, den Treugeberpflichten nachzukommen.

Im pfleglichen, respektvollen Dialog zwischen Treugeber und Treuhänder, im aufeinander hören und die Argumente wägen kann sich das Sozialwesen entwickeln, auf das wir stolz sind und in dem wir gern leben – die Stadt!

*(Natürlich gelten diese Überlegungen auch für die andere Form der Kommune, den Kreis)

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