Wieder im “Heimathafen” meiner Kölner Wohnung überprüfe ich meine Erinnerungen und finde bestätigt, dass ich 1981 und 1983 zur PWT in Salzburg war. In den Berichtesbänden finde ich auch die Vorträge Leopold Kohrs. Doch unter den fast hundert Vortragsmitschnitten fehlen seine Referate. Über das Internet rufe ich das Tondokument auf. Für meine damaligen Zurückhaltung beim Kassetten-Kauf finde ich dabei einen “dialektischen” Hinweis. Anders als ein Vierteljahrhundert zuvor sind meine Ohren weit besser auf das “Österreichische” geschult. Die abgedruckten Vorträge – in Hochsprache abgefasst – zeugen von der Weitsicht und Weisheit Kohrs. 1981 zeigte er den Zuhörern, wie “small is beautifull” auch als pädagogische und bildungspolitische Maxime seine lebenswichtige und lebensrichtige Wirkung entfaltet. Bildhaft macht Leopold Kohr deutlich, dass Kleinheit kein Problem löst. “Auch in Kleingemeinschaften und Kleinstaaten wird es Armut, Arbeitslosigkeit, Raufereien, Diebereien, Totschlag, Mord, Tyrannei, Vergewaltigung, Korruption, Krankheit und Krieg geben. 10 von 10 Menschen werden auch in den kleinsten Gemeinschaften weiterhin sterben. Das einzige, was kleine Gemeinschaften lösen können, ist das Problem der Größe; das Problem jener unkontrollierbaren Ausmaße, die die Gegenwart so unerträglich macht. Sie reduzieren nicht die Zahl der Übel, die der Büchse der Pandora entschlüpft sind; sie verkleinern nur ihr Ausmaß, so dass sie eigentlich keine richtigen Übel mehr sind.” (PWT Berichtsband 1981, S. 179) Probleme, Konflikte und Übel sind Elemente des Lebens, die in geringer Dosis sogar zur lebensfördernden Dynamit beitragen. Doch “poison is too much” (Howard Gossage), jedes “zuviel” wird zum Gift, macht Probleme übergroß, nicht mehr handhabbar und somit unlösbar. Zusammenschlüsse, Koordinationen und Fusionen führen laut Kohr nicht zu Lösungswegen sondern leider in die entgegengesetzte Richtung. Vor diesem Hintergrund und aus dem Blickwinkel des Jahres 2009 gewinnen Kohrs Aussagen von 1981 und 1983 neue Brisanz. Beklemmend seine lobenden Hinweise über die eigenständige Zellstruktur die Kirche, die er als Diözesan-System auch für andere kooperativen Organisationen empfiehlt.
Beklemmend, weil seit einigen Jahren viele der damals gelobten Diözesen ihre Strukturen reformieren. Mit dem Argument “Priestermangel” und unter neoliberalem Beratereinfluss driften sie ab in ein zentralistisches Konzept, selbst von Priestern als “McChurch” kritisiert. Fusionen und Molochpfarreien ersetzen die lebensrichtigen, erlebbaren Gemeinden. Es wird höchste Zeit, die im Archiv verborgenen Diamanten hervorzuholen und zur Geltung zu bringen.
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