Da ist sie also wieder: Jene Frage, die schon vor dem Aufbruch im März wie ein Damoklesschwert über dem Projekt hing. Auch jetzt nach den Erholungstagen in Tübingen und beim Aufbruch in die weiteren Etappen steht wieder im Raum: Bist Du fit genug?
Nein, ich bin es nicht! – Ich bin jetzt 70 Jahre alt, meine Patientenakte lässt sich in Zentimetern fassen.
Pilgern aber ist keine Fitnessübung. Pilgernd will ich dem Anspruch nachgehen, den das Zweite vatikanische Konzil mit dem Bild der Kirche als „durch die Geschichte pilgerndes Volk Gottes“ aufzeigte.
Niemand fragte die Israeliten, ob sie fit genug seien, aus Ägypten fortzuziehen. Petrus war nicht fit genug, als er aus dem Boot stieg, um Jesus übers Wasser entgegenzugehen. Die katholische Kirche ist nicht fit genug für die Aufklärung ihrer eigenen Kriminalgeschichte. Sie ist nicht einmal fit genug für die Not wendenden synodalen und pastoralen Zukunftswege.
Überall knirscht es im Gebälk, stoßen wir auf verhärtete Strukturen und verkrustetes Denken.Dennoch geht unser Pilgerweg weiter.
Unbequeme Mahner drängen zum Aufbruch. Unsere Aufgaben als Christen in der Gesellschaft und Kirche in der Welt von heute warten nicht. Die “Vermenschlichung der Welt durch die vollmenschliche personale Entfaltung aller Menschen” beschrieb das Konzil als die zentrale Aufgabe der Menschen in der Welt. Daran mitzuwirken sind alle Menschen eingeladen, Christen können sich diesem Engagement nicht entziehen.
Unsere darauf ausgerichtete Pilgerschaft in der Geschichte erfordert die ständige Konzentration auf die Herausforderungen der Gegenwart sowie die Überprüfung der Erinnerungen und Erfahrungen der Vergangenheit, um sie für die zielgerichtete Gestaltung der Zukunft zu nutzen.
Sich an Vergangenes zu klammern, sich in Wohlfühlzonen der Gegenwart einzurichten und die Gestaltung einer menschenfreundlichen Welt durch ein abstraktes Heilsversprechen abzulösen ist vielfach verlockend, doch ist das keine Aufgabe der Kirche – es wäre ihre Selbstaufgabe.
Unterwegs sein, aber auch Rasten, Umschau und Ausschau halten, Begegnungen und Gespräche, Erschöpfung und Ermunterung, sich besinnen, neu aufstellen, hoffnungsvoll gestaltend aufbrechen in die Zukunft – solche Vielfalt der Aspekte macht das Pilgern zum je aktuellen Abenteuer.
Am Beginn jedes neuen Tages steht so nicht die Frage: „Bist Du fit genug?“
Die tägliche Grundfrage lautet: „Bist Du willens genug?“
Danke an meine Tübinger Freundin und Gastgeberin Gaby für die erholsamen, notwendig gewordenen Tage der Erholung. Danke für die vertrauensvollen Gespräche, die Tests und für wirksame Massagen.
Danke für das Angebot, noch länger zu bleiben. Doch wieder ist es Zeit zum Aufbruch.
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